Fenster zur polnisch-deutschen Versöhnung
Polnisch-Deutscher Auftaktworkshop reflektiert die Prozesse europäischer Versöhnung nach dem II. Weltkrieg
Vom 10. bis 12. Mai 2022 fanden in Polen die ersten Workshops für das „Deutsch-polnische Vergebungs- und Friedensfenster“ in Wrocław statt. Eingeladen hatte die deutsche pax christi-Sektion im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, die von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (SdpZ) gefördert wird. Die Konzeption der farbstarken Friedensfenster des Künstlers Yvelle Gabriel sieht vor, mitten auf der zentralen Oderinsel Wyspa Piaskowa als Zeichen der Vergebung und des Friedens aus der Kirche St. Maria auf dem Sande heraus, den Kardinal-Wyszyński-Boulevard zu erleuchten.

Kirche St. Maria auf dem Sande
Bereits heute prägen die historischen Worte der polnischen Bischöfe aus dem Jahr 1965 „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ die Gestaltung des Platzes inmitten der Stadt Wrocław. Die direkt dahinterliegenden Vergebungsfenster von Gabriel sollen gemeinsam mit der polnischen Künstlerin Magdali sowie in Zusammenarbeit der Glasmalerei Peters in Paderborn mit der Glaswerkstatt Witraże in Warschau umgesetzt werden. Anlass des großen Friedens-Triptychons im Jahre 2025 wäre der 60. Jahrestag des Auftaktes der bedeutenden Briefwechsel zwischen den polnischen und den deutschen Bischöfen, 80 Jahre Kriegsende, 35 Jahre Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages sowie diesbezüglich die Vorbereitung des deutsch-polnischen Grenzvertrages. Ebenso feiert Polen im Jahre 2025 das Jahrtausend der ersten Krönung des polnischen Königs Boleslaw durch Kaiser Otto III., damals als „amicus“ im Rahmen eines ersten offiziellen Freundschaftsbündnisses.

Yvelle Gabriel, Künstler
Die deutsche pax christi-Sektion, die in den 60er Jahren einen wichtigen Anteil am deutsch-polnischen Dialog der katholischen Kirche nach Kriegsende hatte und aus der wichtige Initiator:innen des Bensberger Kreises stammten, die aus dem kirchlichen Milieu heraus den gesellschaftlichen Prozess hin zur westdeutschen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze forcierten, unterstützt heute die deutsch-polnische Vision der Vergebungs- und Friedensfenster am Platz der Versöhnung in Wrocław.

Gerold König, pax christi-Bundesvorsitzender
Wichtiger Fürsprecher des nun deutsch-polnischen Kunstprojektes, für das in den kommenden Wochen insbesondere Stiftungen und politische wie kirchliche Multiplikatoren zur Finanzierung angesprochen werden, ist der Mainzer Bischof und pax christi-Präsident Peter Kohlgraf, der in seinem Grußwort aus Mainz betonte: „Mit diesen drei Fenstern in der Kirche St. Maria auf dem Sande kann in Wrocław ein sehr sichtbares Zeichen für Vergebung und Frieden geschaffen werden. Gerade weil wir unübersehbar in Europa und weltweit Gewalt und neue Kriege erfahren, ist es wichtig, den polnisch-deutschen Versöhnungsweg neu mit Dialog und Begegnung anzureichern. Umso dringlicher ist es in diesen Tagen auch die Gewalt belastete Wirklichkeit und das Leiden der Menschen im Lichte des Evangeliums zu betrachten, Symbol für neue Perspektiven zu schaffen, Verbindungen zu knüpfen und uns für einen Weg des gerechten Friedens zu ermutigen.“

Rev. Dr Jacek Froniewski, Kanzler der Kurie von Wrocław
Zu den Partnern und Fürsprechern, die das Projekt stützen und den aktuellen Dialog zwischen Polen und Deutschland wieder stark aktivieren wollen, gehören u.a. die Diözese des Bistums Wroclaw, die Direktoren des Zentrums für Erinnerung und Zukunft in Wroclaw, die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung, der Leiter der Europäischen Akademie, der leitende Auslandsseelsorger des Zentrums für Dialog und Gebet Oswieciem, der Pfarrer und die Vertreter:innen der Pfarrei St. Maria auf dem Sande, der Direktor des päpstlichen Museums in Warzawa sowie der ehemalige Bürgermeister von Wrocław Jaroslaw Obremski.

Dr. Marek Mutor, Zentrum „Erinnerung und Zukunft” in Wroćław
Mit Yvelle Gabriels Versöhnungskunst gelang es dem internationalen Künstler Yvelle Gabriel in den Jahren zuvor in verschiedenen deutsch-israelischen Kunstprojekten ein wichtiger Beitrag zur interkulturellen und interreligiösen Versöhnungsarbeit zwischen Deutschland und Israel. Gabriel beruft sich in seinem deutsch-polnischen Kunstprojekt vor allem auf den vorangegangenen Entstehungsprozess der drei deutsch-französischen Versöhnungsfenster in der französischen Krönungskathedrale von Reims, die im Jahr 2015 in einem offiziellen Staatsakt als nachbarschaftliches Friedensgeschenk Deutschlands an Frankreich eingeweiht wurden. Nach der bereichernden Erfahrung der Workshops und der Auftaktveranstaltung betont Yvelle Gabriel noch einmal: „Die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Polen sind für Deutschland von allerhöchstem Stellenwert. Sieben Jahre nach den Versöhnungsfenstern in Frankreich gilt es nun, ebenso in Polen ein leuchtendes Zeichen zu setzen. Als Symbol der Erinnerung, der Vergebung, letztlich des fortwährenden Versöhnungsprozesses in steter Erneuerung der Freund- und Nachbarschaften. Gerade in diesen wieder aufflammenden Kriegszeiten als wahrhaftiger Leuchtturm des stetigen Friedensbemühens für ganz Europa, gleichsam als Hoffnungszeichen aus allen tief gelebten Prozessen europäischer Versöhnung nach dem zweiten Weltkrieg. Es braucht wohl gerade heute um so mehr wieder einige „Versöhnungsverrückte“, welche aktiv Zeichen setzen. Ohne zu fackeln. Sinnbildlich als Mutmacher, kunstvolle Brückenbauer in eine friedliche Zukunft hinein. Willkommen.“

Alicia Zyznarska Gemeinde St. Maria auf dem Sande in Wroćław
Ein wichtiger polnischer Fürsprecher des Projektes ist Dr. hab. Wojciech Kucharski, ein Direktor des Zentrums für Erinnerung und Zukunft in Wrocław. Er betont: „Indem sie eine Botschaft der Vergebung an die Deutschen richteten, beschritten die polnischen Bischöfe den Bereich der Außenpolitik. Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der internationalen Sicherheit in Europa nach 1945 war die endgültige Regelung der polnisch-deutschen Grenze. Der Weg zu dieser politischen Entscheidung war der Prozess der Versöhnung, der zu einer Veränderung der gegenseitigen Wahrnehmung, zu gegenseitigem Respekt, zur Akzeptanz der Grenze und schließlich zur Schaffung einer mehrstufigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern führte.
Es gibt viele Länder und Nationen auf der Welt, die eine ähnliche Geschichte wie Polen und Deutschland haben. Diese Gesellschaften kämpfen immer noch mit dem Problem der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen und suchen nach Inspiration auf dem Weg zur Versöhnung. Die im Brief festgehaltenen Werte wie Vergebung, Versöhnung und Dialog können zu einem Leitfaden für die Lösung dieser scheinbar unlösbaren Probleme werden. Die Einrichtung des Fensters der Versöhnung in Wrocław wird die Schaffung einer Gedenkstätte vervollständigen, die der polnisch-deutschen Versöhnung gewidmet ist, die eine der Grundlagen der heutigen Identität von Wrocław darstellt.“
Der pax christi-Bundesvorsitzende Gerold König, der den Workshop in Wroclaw leitete, erkennt in dieser Kooperation „einen Schritt, den deutsch-polnischen Austausch im Zuge der Entstehung der Vergebungs- und Friedensfenster zu intensivieren und noch einmal neu mit Leben zu füllen. Denn die Prozesse polnisch-deutscher Versöhnung leben vom Dialog, der gemeinsame Zukunft gestaltet“.
Auf der Website des Projektes finden sich weitere Informationen und Statements sowie Videos.
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